Hier geht es darum, sich einmal klar zu machen welche Situationen wir mit unseren Hunden so erleben. Denn wenn man sich klar machen kann, in welcher Situation man sich gerade mit seinem Hund befindet, kann dies sehr erleichternd sein und auch helfen die richtige Entscheidung für diese Situation zu treffen.
Hier mal ein Beispiel zur Veranschaulichung:
Stellen wir uns mal vor wir üben im Training gerade Hundebegegnungen. Wir haben einen Plan was als nächstes passiert, wir haben einen Plan wie wir uns verhalten wollen und wir haben einen Plan, wie wir auf das Verhalten des Hundes reagieren werden. Diese Situationen sind in der Regel kontrolliert, vorab besprochen und der Intensität der auf das Können des Hundes abgestimmt.
Wenn dein Hund zum Beispiel ab einer Entfernung von 20 Metern Abstand auf einen anderen Hund reagiert können wir einen anderen Hund mit darauf angepasstem Abstand präsentieren. Wir können bestimmen ob er sich in der Bewegung befinden oder erstmal stehen soll. Wir können bestimmen ob du mit deinem Hund in einem Kreis, auf einer gebogenen Linie oder direkt auf den anderen Hund zugehst, oder ob du sogar erstmal nur stehen bleibst. Wir haben die passende Belohnung abgesprochen und diese hast du dir vorab bewusst machen können und, falls dies Leckerchen oder Spielzeug sind, auch griffbereit.
Diese Situation könnte man natürlich noch beliebig vertiefen oder variieren. Wichtig ist hier aber erstmal nur, dass du verstehst dass diese Situationen zu einem hohen Maße von uns kontrolliert werden können. Dies kann man jetzt als eine klassische Trainingssituation beschreiben. Wir befinden uns hier ganz klar im gezielten Training.
Jetzt wirst du wohl schon oft erlebt haben, dass du bei deiner Gassi-Abendrunde nicht das Glück hast, dass sich Hund-Mensch-Teams vorab ankündigen und du die Zeit hast dir deinen Plan nochmal zu überlegen und ggf. Belohnungen zurecht zu legen. Der Nachbar kommt mit seinem Hund ganz plötzlich um die Ecke und war durch den hohen Gartenzaun an der Ecke gar nicht zu sehen. Ihr lauft quasi unangekündigt „ineinander“. Und jetzt? Dein Hund springt in die Leine und bellt. Jetzt klappt alles was du vorab geübt hast vielleicht noch nicht und du fühlst dich frustriert. Keine Sorge, du bist nicht allein. Denn das ist nun mal der Alltag mit deinem Hund. Also lass es uns genau so nennen. Euren Alltag. Hier läuft eben nicht alles nach Drehbuch und wir können ja die Welt um uns herum nicht kontrollieren. Natürlich kann man jetzt auch Alltagssituationen zum Training nutzen. Genau genommen, passiert sogar wahnsinnig viel von dem was das Verhalten deines Hundes beeinflusst im Alltag. Denn der Alltag macht prozentual nun mal den größten Teil eurer Zeit aus. Zum Beispiel gehst du jeden Tag mehrfach zur Haustüre und öffnest diese. Wenn dein Hund hier jetzt jedes Mal ungefragt rausrennen darf, dann lernt dein Hund im Alltag, dass dies erlaubt ist. Wenn er das im Alltag nie ungefragt darf, dann lernt er im Alltag, dass dies nicht erlaubt ist. Natürlich kann man auch hierfür wieder ein gezieltes Training machen, aber dieses wird sich mindestens mit den Alltagssituationen ergänzen, in denen du die Türe öffnest. Das bedeutet, du kannst in deinem Alltag dein Training unterstützen, oder boykottieren. Ein schönes Beispiel für die „Macht des Alltags“ ist zum Beispiel auch, dass dein Hund dich den ganzen Tag über beobachtet. Er interpretiert deine Körpersprache, er studiert deine Gewohnheiten, er merkt sich wann du konsequent bist und findet die Momente in denen er dich manipulieren kann. Und bei dem Wort Manipulation möchte ich mich auf die folgende Definition berufen „durch bewusste Beeinflussung in eine bestimmte Richtung lenken“. Dies meine ich nicht in böser Absicht sondern rein sachlich. Wenn der Hund etwas von dir möchte (Leckerchen, Streicheleinheiten, Blickkontakt, ein Spiel), dann wird er lernen wie er dich dazu bringen kann. Manche können sich mit dem Begriff „dazu motivieren“ vielleicht besser arrangieren. Es wäre ja auch dumm, wenn er dir nicht versuchen würde seine Bedürfnisse als gute Idee zu verkaufen. Wenn du also im Alltag für den Hund ein bestimmtes Bild abgibst, dann wird er dich grundsätzlich so wahrnehmen. Wenn du dich im gezielten Training plötzlich wenig manipulierbar zeigst, sondern stattdessen hoch konzentrierst und diszipliniert bist, dann wird dein Hund merken, dass du dich unter bestimmten Umständen so anders verhältst. Oft ist dies auf dem Hundeplatz der Fall. Viele Hunde lernen dann, sich in diesen Situationen vom Verhalten her ebenso anzupassen und so entsteht das Phänomen des „In der Hundeschule macht der das ganz toll, aber sobald wir den Hundeplatz verlassen verhält er sich wieder ganz anders“. Beobachte dich mal selbst und frage dich, tust du das auch? Hast du z. B: auf dem Spaziergang das Handy am Ohr oder den Ohrstöpsel drin und redest mit deiner Freundin? Hast du auf der Couch keine Lust mehr aufzustehen und den Hund an seinen Platz zurück zu bringen, nachdem du ihn in sein Körbchen geschickt hast und dein Hund nach 5 Minuten wieder aufgestanden ist um sich woanders hinzulegen? Würdest du dich auf dem Hundeplatz auch so verhalten? Wohl kaum. Hier würdest du diszipliniert und konzentriert sein und deinem Hund genau dieses Bild vermitteln.
Kannst du dein Training im Alltag nicht durch entsprechendes Verhalten unterstützen, willst es aber auch nicht durch entgegengesetztes Verhalten boykottieren, kannst du mit dem nächsten Punkt für solche Situationen einen Ausweg finden.
Mit einem entsprechenden Management kannst du Situationen entschärfen, reduzieren oder vermeiden, die du im Alltag noch nicht meistern kannst ohne deine Trainingsfortschritte zu gefährden. Um beim Beispiel der offenen Türe zu bleiben könntest du deinen Hund zum Beispiel anleinen, wenn du die Türe öffnen musst aber ihn noch nicht am ungefragten Rausstürmen hindern kannst. Oder du könntest deinen Hund in ein anderes Zimmer bringen so lange die Türe offenstehen muss. Du könntest deinen Hund auch selbst an der Leine proaktiv durch die Gartentüre in den Garten führen und ihn dort „freigeben“, wenn du jetzt die Türe längere Zeit offenstehen lassen möchtest und der Hund ja grundsätzlich mit raus darf. Es spräche in diesem Fall ja nichts dagegen, dass der Hund raus geht, er soll nur nicht durch seine eigene Entscheidung ungefragt einfach rauslaufen. Wenn du ihn aber selbst rausbringst und ihm dort ein Freigabesignal gibst, hast ja du selbst diese Entscheidung getroffen und dein Hund hat sie dir nicht abgenommen. Klingt kleinlich? Dein Hund könnte dies aber anders sehen und viel Wert auf genau solche Situationen legen 😉
Was ist aber nun, wenn du mit deinem Hund gerad Gassi gehst und der Nachbar plötzlich hinter der Ecke auftaucht und dein Hund sofort total eskaliert, nicht mehr ansprechbar ist und evtl. sogar in eine Beißerei mit dem anderen Hund gerät? Was wenn du die Türe doch unbedacht geöffnet hast und dein Hund an dir vorbei auf die Straße gelaufen ist?
In solchen Akutsituationen, in denen weder Training, noch Management möglich ist und wir uns auch nicht mehr in einer Alltagssituation befinden, einigen wir uns auf die Bezeichnung Notfallsituation Hier ist akutes Handeln notwendig um Schlimmeres zu verhindern und ein ausführliches Analysieren und Planen deiner nächsten Schritte ist meist nicht mehr möglich. Oft handelst du hier bisher sehr Impulsgesteuert und reflexartig. Wenn du daheim angekommen bist lässt du dir die Situation evtl. immer wieder durch den Kopf gehen bis du etwas an deinem Verhalten gefunden hast, was du vielleicht hättest besser machen können und ärgerst dich über dich selbst.
Weshalb nun diese Unterteilung? Damit du dir klarmachen kannst, dass du dich nicht rund um die Uhr im geplanten Training befindest und man für diese Situationen unterschiedliche Lösungen erarbeiten kann. Somit nimmst du dir den Druck immer alles so zu machen wie vielleicht auf dem Hundeplatz und kriegst trotzdem Möglichkeiten an die Hand, in den jeweiligen Situationen möglichst sinnvoll zu reagieren. Wenn du künftig also schnell erkennst in was für einer Situation du dich befindest und wie du dich in dieser Situation verhalten willst, unterstützt du die Erziehung, die Beziehung und die Kommunikation zwischen dir und deinem Hund enorm. Dies wird euch auf dem Weg zu euren Zielen helfen diesen kontinuierlich näher zu kommen und du leidest vielleicht auch nicht mehr unter Schuldgefühlen dich selbst enttäuscht zu haben.