Immer wieder hört man im Hundetraining die Begriffe Lob und Strafe.

Oft hört man diese im Zusammenhang mit Trainingskonzepten oder Erziehungsmethoden.

Hier kennt man viele alte Trainingsmethoden die z. B. sehr viel mit Strafe gearbeitet haben und viele moderne Trainingsmethoden die sich nur dem Training mit viel Lob verschrieben haben.

Um zu verstehen was Lob und Strafe eigentlich ist und was die Auswirkungen hiervon sind, schauen wir uns diese beiden Begriffe doch mal genauer an.

Als Hundetrainer sollte man die Lerntheorien der bekanntesten Forscher wie z. B-Iwan Pawlow, Burrhus Frederic Skinner und Edward Lee Thorndike kennen und verstanden haben.

Diese Forscher haben z. B. die Lerntheorien der klassischen und der operanten, bzw. instrumentellen Konditionierung geprägt und den Grundstein für viele nachfolgenden Forschungen gelegt.

Versuchen wir mal einen Blick in diese Lerntheorien zu werfen ohne uns darin zu verlaufen. Denn wenn wir verstehen und für uns beurteilen wollen, was diese verschiedenen Erziehungsmethoden bedeuten, sollten wir die Begriffe Lob und Strafe verstanden haben. Lasst uns also aus lerntheoretischer Sicht anschauen, was die Wissenschaft zu diesen Begriffen definiert.

Klassische Konditionierung:

Hier denken die meisten Leute an das Experiment von Iwan Pawlow in welchen er Hunden beigebracht hat, dass nach dem Ertönen einer Glocke Futter gereicht wird. Er hat also immer eine Glocke geläutet und den Hunden direkt danach Futter gegeben. Das Ergebnis war, dass die Hunde im Verlaufe des Experiments schon bei der Wahrnehmung des Klangs der Glocke Speichel gebildet haben in Erwartungshaltung auf das Futter. Er hat also festgestellt, dass der Körper automatisch mit nicht bewusst gesteuerten Reflexen auf Reize (in diesem Fall das Geräusch der Glocke) reagiert, wenn nur oft genug das Geräusch im Zusammenhang mit einem anderen Reiz (dem Futter) stand, welches automatisch eine körperliche Reaktion auslöst (die Speichelbildung)

Das Glockengeräusch erzeugt in dieser Folge dann also bereits auch ohne das Futter ein angenehmes Gefühl beim Hund. Hier werden also zwei Reize miteinander verknüpft und diese haben dann Einfluss auf die Gefühle und somit auf die anschließende Reaktion des Hundes. Der Hund assoziiert das Geräusch also positiv. 

Dies geht natürlich auch im umgekehrten Fall mit einer negativen Emotion. Wenn nach dem Geräusch der Glocke die Hunde jedes Mal ganz laute und unangenehme Geräusche gehört hätten, hätten sie mit der Zeit schon das Geräusch der Glocke mit dem unangenehmen Gefühl assoziiert und z. B. mit Angst oder Meideverhalten reagiert. In diesem Fall hätte man eine Verknüpfung eines Reizes mit etwas Unangenehmen erschaffen und auch hier hätte nur das Geräusch der Glocke mit der Zeit zu einer emotionalen Reaktion des Hundes geführt. Der Hund assoziiert das Geräusch also negativ.

Operante, bzw. Instrumentelle Konditionierung:

Hier könnte man jetzt an Experimente wie die Skinner-Box denken, in welchen Skinner Versuche mit Tieren aufgebaut hat um zu beobachten, wie sich die Tiere in der jeweiligen Situation verhalten. Um diesen Überblick aber nicht zu tief und lang werden zu lassen, schauen wir uns direkt die Ergebnisse dieser Experimente an.

Skinner hat festgestellt, dass es vier Arten von Lob und Strafe gibt.

Die positive Verstärkung

Die negative Verstärkung

Die positive Strafe

Die negative Strafe

Positiv und negativ haben in diesem Fall nicht mit gut oder schlecht zu tun, sondern es bedeutet dass bei positiv etwas hinzugefügt und bei negativ etwas entzogen wird.

Ich versuche hier wieder eine recht einfach zu merkende Erklärung ohne alle wissenschaftlichen Fachbegriffe auszupacken.

Positive Verstärkung – Etwas Angenehmes wir hinzugefügt 

Beispiel: Der Hund kriegt Leckerchen die er mag

Merken wir uns einfach: Es entsteht ein angenehmes bis freudiges Gefühl beim Hund

Negative Verstärkung – Etwas Unangenehmes wird weggenommen

Beispiel: Der Hund möchte unbedingt zur Türe rauslaufen, welche ich aber geschlossen halte und dann öffne ich endlich die für ihn unangenehme Barriere die ihn davon abhält nach draußen zu laufen und der Hund kann endlich seinem Bedürfnis nachkommen nach draußen zu laufen

Merken wir uns einfach: Es entsteht das Gefühl von Erleichterung beim Hund

Positive Strafe – Dem Hund wird etwas Unangenehmes hinzugefügt

Beispiel: Der Hund findet auf dem Tisch Reste vom gekochten Essen und öffnet schon das Maul um das Essen vom Tisch zu nehmen. In dem Moment kommt der Besitzer herein, sieht den Versuch des Hundes und rennt laut schreiend direkt auf den Hund zu sodass dieser sich erschreckt und Angst kriegt

Merken wir uns einfach: Es entsteht ein Unangenehmes Gefühl bis hin zur Angst beim Hund

Negative Strafe: Dem Hund wird etwas Angenehmes weggenommen

Der Hund sieht die offenstehende Türe und möchte gerne zur Türe hinausrennen um sein Bedürfnis zu stillen draußen im Garten herumzulaufen. Kurz bevor der Hund durch die Türe schlüpfen kann, schließt der Besitzer die Türe. Der Hund steht nun vor der verschlossenen Türe und kann seinem Bedürfnis nicht nachkommen hinauszulaufen.

Merken wir uns einfach: Es entsteht das Gefühl von Frust beim Hund

Hier nochmal eine kurze Zusammenfassung:

Positive Verstärkung: Angenehmes Gefühl/Freude (wird oft Lob genannt)

Negative Verstärkung: Gefühl von Erleichterung

Positive Strafe: Unangenehmes Gefühl/Angst

Negative Strafe: Gefühl von Frust

Nun hat die Wissenschaft herausgefunden, dass die positive Verstärkung und die negative Verstärkung grundsätzlich dazu führen, dass ein Verhalten vom Hund öfter gezeigt werden.

Die positive Strafe und die negative Strafe führen hingegen dazu, dass ein Verhalten vom Hund grundsätzlich weniger oft gezeigt wird.

Diese Verstärker und Strafen kann der Hund direkt mit dem Halter assoziieren (er erlebt, dass ihr das tut) oder auch anonym indem er das Ereignis nicht in Zusammenhang mit euch als Person bringt. Ein Beispiel hierfür sind Belohnungsautomaten die weit von euch weg stehen um auf die Entfernung ein Verhalten belohnen zu können, oder z. B. Sprühhalsbänder die auf Knopfdruck Wasser oder Luft sprühen was der Hund in der Regel als unangenehm empfindet.

An dieser Stelle möchte ich ganz ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir uns im Bereich der reinen Lerntheorie befinden und für die Praxis noch mehrere Dinge beachtet werden müssen. Ansonsten kann die Anwendung dieser Lerntheorie auch ganz gehörig nach hinten losgehen. Um auch hierfür kurze Beispiele zu nennen möchte ich Folgendes ergänzen.

Es kommt immer darauf an, ob der Hund etwas als angenehm oder unangenehm empfindet. Denn nur das zählt. Nicht wie wir es meinen, sondern wie der Hund es wahrnimmt. So gibt es oft Leute die mit ihrem Hund schimpfen und denken das sei für den Hund eine Strafe. Dieser interpretiert es aber nicht als Strafe und zeigt das Verhalten im Anschluss vielleicht sogar häufiger. Es kommt auch öfters vor, dass Leute ihren Hund loben wollen indem sie ihn streicheln und wundern sich, weshalb der Hund das Verhalten eher noch weniger zeigt oder sogar ganz unterlässt. Nun, auch hier hat der Hund das Streicheln in genau dieser Situation vielleicht nicht als etwas Positives empfunden, weil es für ihn nicht in diese Situation gepasst hat. So kann er abends auf der Couch die Streicheleinheiten gut und gerne genießen, beim Spiel mit seinen Freunden ist es für ihn aber vielleicht sogar eher unangenehm und führt zu einer Reduktion des Verhaltens, was zur ungewünschten Streicheleinheit geführt hat.

Ebenso kann es eine sehr schlechte Idee sein, einen sehr emotional aufgeheizten Hund mit Druck und Schimpfen zu begegnen. Im blödesten Fall kann dies mit einem Angriff des Hundes gegen den Halter enden. 
Wie ihr seht gibt es hier drumherum noch einiges zu beachten, aber es ist dennoch wichtig die grundsätzliche Theorie zumindest grob verstanden zu haben.

Lasst uns noch ein Alltagsbeispiel für die klassische Konditionierung anschauen.

Angenommen ihr habt einen Hund, der vor allen Menschen außer euch Angst hat. Wenn nun täglich der Postbote klingelt und dann in der Türe steht, assoziiert der Hund sehr bald die Klingel mit dem unangenehmen Gefühl, dass dort ein fremder und angsteinflößender Mensch an der Türe steht. Es wird also nicht lange dauern, bis der Hund schon auf das Geräusch der Klingel mit Angst reagiert. Ihr habt hier gar nicht bewusst dazu beigetragen, dass der Hund dieses Gefühl erlebt. Es ist im Alltag entstanden.

Was bedeutet das jetzt aber für unsere unterschiedlichen Erziehungsmethoden?

Nun, ich behaupte, wir können in der menschlichen Welt mit unseren Hunden gar nicht zusammenleben, ohne dass die Hunde das Gefühl von Freude, Erleichterung, Frust und Angst erleben.

Aber wann?

Ich denke über das Gefühl von Freude brauche ich nicht viel schreiben, denn die wenigsten werden ja ein Problem damit haben, dass Hunde dieses Gefühl erleben und auch unbedingt erleben sollten.

Schauen wir also mal auf die anderen Gefühle und sind mal penibel im Sinne der Wissenschaft.

Wenn ihr eurem Hund Futter zubereitet und der Hund am liebsten beim Öffnen des Kühlschranks schon das fertige Futter vor sich stehen haben möchte, erlebt er wahrscheinlich schon das Gefühl von Frust. Wenn er euch dann anspringt und laut bellt und ihr bittet ihn höflich sich hinzusetzen und zu warten bis ihr ihm das Futter hingestellt habt, dann erlebt er im Moment eures Freigabekommandos das Gefühl von Erleichterung. Also schon in der Fütterung haben wir es mit Frust und Erleichterung zu tun, sofern der Hund nicht absolut cool und gelassen bleibt.

Wenn ihr mit eurem Hund Gassi gehen wollt und euch die Schuhe anzieht gibt es genügend Kandidaten die hier schon aufdrehen und es kaum erwarten können aus der Türe rauzukommen. Er springt an euch hoch und möchte, dass ihr ihn sofort zur Türe rauslasst. Er hat keine Geduld mehr zu warten, bis ihr euch und den Hund angezogen habt. Auch hier haben wir es wieder mit Frust zu tun, sofern der Hund nicht direkt raus darf sobald er dies möchte. Dann würde er womöglich aber unkontrolliert vor das nächste Auto rennen während ihr euch noch die Schuhe anzieht. Zieht ihr euch also erstmal fertig an, leint dann den Hund an und geht raus, erlebt der Hund das Gefühl der Erleichterung sobald es endlich zur Türe rausgeht

Mitten auf dem Spaziergang sieht der Hund auf der anderen Straßenseite einer viel befahrenen Straße einen anderen Hund und möchte zu diesem laufen. Ihr haltet aber die Leine fest, damit der Hund nicht in den Verkehr rennt. Der Hund kann seinem Bedürfnis nicht nachgehen und erlebt wieder das Gefühl von Frust.

Ein paar Meter weiter ist ein Stromzaun an einer Pferdeweide und euer Hund möchte gerne durch den Zaun schlüpfen um die Pferde zu jagen. Ihr wollt aber weder, dass der Hund die Pferde jagen geht (gute Idee, die können sich nämlich auch recht gut verteidigen, ich selbst habe so ein Exemplar…) noch wollt ihr, dass der Hund vom Zaun einen Stromschlag kriegt. Auf seinen Namen reagiert der Hund aber gerade nicht, weil er nur noch Augen für die Pferde hat und ihr könnt ihn in dieser Notfallsituation nur noch davon abhalten einen Stromschlag zu bekommen, indem ihr euch vor ihn stellt und ihn vom Zaun wegschickt. Der Hund merkt, dass ihr das grad sehr ernst meint, empfindet diesen sozialen Konflikt als unangenehm und möchte diesem lieber aus dem Weg gehen. Also geht er drei Schritte zurück und lässt sich dann von euch mit einem freundlichen weiter dazu überreden, den Spaziergang ohne die Pferdejagd fortzusetzen. Hier sind wir per Definition schon im Bereich der positiven Strafe. Diese war für den Hund unangenehm, dafür hat sie ihm einen Stromschlag und evtl. einen saftigen Tritt von einem Pferdehuf erspart.

Im Alltag gibt es ja immer Situationen die du in dieser Konstellation nicht trainieren konntest. Idealerweise hast du den Hund auf vieles was passiert vorbereitet. Wenn der Hund immer und in jeder Situation auf ein freundliches Kommando hört und auch stets ruhig und gelassen bleibt, dann wird er mit relativ wenig Frust, Erleichterung und unangenehmen Gefühlen durch das Leben kommen. Aber die Hunde, die wirklich in jeder Situation zu 100% zuverlässig freundlich ansprechbar sind und immer gelassen bleiben, die sind doch eher selten. Wenn ihr solch ein Exemplar bei euch habt. Herzlichen Glückwunsch! Freut euch und genießt es! Denn eine blöde Situation die der Hund nicht mehr vergisst oder euer nächster Hund, können diesen Luxus schon wieder ändern.

Es ist ganz klar, dass ich mit positiver Verstärkung (Lob) arbeiten sollte, wenn ich ein Verhalten aufbauen möchte und möchte, dass dieses öfter gezeigt wird. Und wie ich in meiner Seite Training, Management, Alltag & Notfall“ schon beschreibe, macht es auch Sinn zwischen Training und anderen Situationen zu unterscheiden. Im Training kann ich die Rahmenbedingungen selbst beeinflussen und dafür sorgen, dass ich mit Lob arbeite. Das bedeutet aber nicht, dass außerhalb des Trainings nicht auch Situationen entstehen können, die es sinnvoll machen auch mal dem Hund ein Bedürfnis zu verweigern und ihn von etwas abzuhalten was er jetzt gerne machen möchte.

Niemand sollte seinen Hund nur mit Strafen erziehen. Das hat so viele Nachteile, dass ich damit ganze Seiten füllen könnte. Allerdings sollte man sich aber auch klar machen, dass ein Zusammenleben mit dem Hund in der menschlichen Welt kaum möglich ist, wenn man möchte, dass der Hund ausschließlich Freude und positive Gefühle erlebt.

Ich denke es macht Sinn seinen ganzen Tagesablauf mit dem Hund zu analysieren und sich klarzumachen, welche Situationen man mit dem Hund so 24 Stunden 7 Tage die Woche erlebt und ob es da möglich ist, den Hund nur eine einzige Art der Verstärkung oder der Strafe erleben zu lassen.